4.4 Fernrohre und Teleskope
 
Ohne die Eigenarten von Menschen bei der Betrachtung ihrer Umwelt philosophisch vertiefen zu wollen läßt sich feststellen, dass es häufig Hilfmittel waren, welche die Sinne unterstützten und diese zu neuen Fragestellungen und Erkenntnissen führte. Im Fall der Astronomie spielte das Teleskop eine besondere Rolle. Mit ihm ist es möglich entfernte Objekte zu vergrößern, vor allem aber mehr Licht von ihnen in das Auge zu lenken, als es mit der elementaren Pupillenöffnung möglich wäre. Dadurch wurden viele Objekte des Raumes um die Erde erstmals sichtbar.


1609 - Galileios Fernrohr
Die Erkenntnis der lichtbrechenden Eigenschaft von Glas bedingte zunächst dessen Herstellung. Dieses ohne Einschlüsse von Luftblasen, dann eine Vielzahl von Bearbeitungstechniken wie schleifen und polieren sowie mathematischer Theorien um diese Wirkung gezielt anwenden zu können. Diese Schritte waren etwa im Jahr 1600 abgeschlossen, so dass sich der Italiener Galileo Galilei im Jahr 1609 nach Plänen holländischer Brillenmacher (Hans Lipperhey oder Jacob Metius van Alkmaar) sein erstes Fernrohr bauen konnte. Seine Linsen waren nicht optimal geschliffen, besaßen viele kleine Lufteinschlüsse, waren vom enthaltenen Eisen leicht grünlich gefärbt, vergrößerten die Welt aber etwa um den Faktor 4 (später bis 33) und hellten Sie bei 3cm Objektivdurchmesser etwa um das 30 fache auf, so dass Galilei 1610 durch die Entdeckung der vier großen Jupitermonde der Beschreibung von Eigenschaften des Mondes und der Milchstraße berühmt wurde.
 
Galileo Galilei selbst gebaute Refraktor Teleskope
Mit der Entdeckung der Technik um das Fernrohr schritt natürlich auch deren Fortentwicklung und Verfeinerung einher. So wurden neue Anordnungen der Linsen ausprobiert um Brechungsfehler auszugleichen die zu bunten Lichthöfen um die betrachteten Objekte führten und ebenso wurde versucht, durch größere Objektivdurchmesser und Brennweiten die Helligkeit und die Vergrößerung zu steigern. Einer der Höhepunkte war 1670 ein Fernrohr von Johannes Hevelius, welches aus einem über 40m langen Rohr bestand.
 
1672 – Newtons Reflektor
Zwar hatten schon andere vor dem englischen Naturwissenschaftler Isaak Newton mit spährischen Spiegeln beim Fernrohrbau experimentiert, jedoch gelang es Newton im Jahr 1672 diese Technik durchzusetzen, indem er ein solches Gerät herstellte und der Royal Society vorführte. Er ersetzte die bisher verwendeten Glaslinsen des Objektivs durch einen sphärisch angeschliffenen 2“ Spiegel aus beschichtetem Metall und lenkte dessen Hauptstrahl über einen Planspiegel zum Okular um so dass man anders als bei den Vorgängergeräten seitlich in das Teleskop hineinsehen konnte. Dadurch konnte die Baugröße der Teleskope entscheidend verkleinert werden. Zudem verbesserte sich 1721 durch die Beherrschung der Technik zur ungleich schwierigeren Herstellung parabolischer Spiegel, die Bilddarstellung erheblich.
 
Nachbildung des von Isaak Newton gebauten 6“=15cm Reflektor Teleskops
Andere Probleme die heute nur noch schwer nachvollziehbar sind, blieben jedoch noch eine Weile bestehen. Das Kernproblem von Newtos Reflektor Teleskops war die Anfertigung und Beschichtung entsprechender Spiegel. Sie wurden aus 'Spiegelmetall' geformt, einer weißlichen Legierung aus Kupfer, Zinn und anderen Metallen, das anfänglich nur 60% des Lichts reflektierte, schwer war und zudem im Verlauf kurzer Zeiten anlief. Das bedingte dass die Spiegel nach wenigen Gebrauchsmonaten nachpoliert werden mussten und die Handhabung der Teleskope mit zunehmender Größe mehreren Personen zur Ausrichtung und Nachführung benötigten. Als Beispiel kann das größte Teleskop dieser Zeitepoche stehen. Bei dem Leviathan-Reflektor des 3rd Earl of Rosse betrug das Gewicht des Spiegels 3,8 Tonnen. Von diesen besaß er zum schnellen Austausch zwei Stück.
Nichts desto trotz waren mit den Teleskopen und den mit ihnen einhergehenden Erkenntnissen der Physik und Mathematik die Grundsteine zur Erkenntnisgewinnung des Sonnensystems und durch Messier und seine Nebel angeregt, des Weltraums oder wie man heute sagen mag, des Deep Sky gelegt. Im Besonderen begannen sie sich durch die Arbeit von Friedrich Wilhelm Herschel und seiner Schwester Caroline, zu sortieren und zu katalogisieren.
 
1789 - Herschels 122cm Teleskop
Friedrich Wilhelm Herschel wird am 15. November 1738 in Hannover geboren, das seinerzeit zum Kurfürstentum Hannover gehört und in Personalunion mit England regiert wird. Sein Vater ist Militärmusiker und er flüchtete mit seiner Familie in den Kurort Bath, Südengland, als Hannover 1767 durch französische Truppen besetzt wird. Wilhelm Herschel tritt in die Fußstapfen seines Vaters und wird auch Musiker, seine Liebhaberei aber gilt der Astronomie. Er ist handwerklich geschickt und baut sich die dazu benötigten Fernrohre selber. Schlagartige Berühmtheit erfährt er, als er im Jahr 1781 den Planeten Uranus findet. Er wird zum Mitglied der Royal Society gewählt und König George III sagt ihm eine jährliche Vergütung zu. Nun kann sich Herschel zusammen mit seiner Schwester Caroline Lucretia vollständig seiner Liebhaberei widmen. Inspiriert von dem 1780/1781 erscheinenden Katalog von Charles Messier mit 103 nebelartigen Objekten, von denen in der Astronomie unbekannt ist, worum es sich bei ihnen handelt, bauen Herschel und seine Schwester eine Reihe von größer werdenden Teleskopen. Ihr größtes aus dem Jahr 1789 stammendes Teleskop ist im Bild unten dargestellt. Es besitzt einen Spiegeldurchmesser von 122cm und eine Brennweite von etwa 12m. Es wird 1839 durch einen Sturm zerstört.
Friedrich Wilhelm Herschel stirbt am 25. August 1822 in Slough. Seine Schwester zieht zurück nach Hannover, wo sie auf dem Gartenfriedhof begraben liegt. Herschels Leidenschaft wird von seinem Sohn Sir John Frederick William Herschel (* 7. März 1792 in Slough bei Windsor, † 11. Mai 1871 in Hawkhurst, Kent) fortgesetzt. Er gründet mit Charles Babbage dem Erfinder des Ur-Computers, die Royal Astronomy Society.
 
Wilhelm Herschels selbst gebautes Reflektor Teleskop in Bath
Fertiggestellt im Jahr 1789: Spiegeldurchmesser 48“ = 122cm, Brennweite 40feet = 12,2m
 
Für seinen Katalog der Neben mit etwa 2500 Eintragungen benutzte Friedrich Wilhelm Herschel hauptsächlich ein von ihm gebautes und 1783 fertiggestelltes Teleskop mit einem 18,7“ = 47,5cm Spiegel und 6,1 m Brennweite, welches einen geringeren Bedienungsaufwand benötigte.
 
1845 - Earl of Rosse 183cm Teleskop
Den nächsten Meilenstein in der Entwicklung von Teleskopen und der Erforschung des Universums setzt William Parsons der 3. Earl of Rosse. Auf dem Gelände seines Schlosses im irischen Birr errichtet er das für 72 Jahre größte Teleskop. Er nennt es nach einem Meeresungeheuer der biblischen Mythologie 'Leviathan'
Das Reflektor Teleskop von William Parson, 3rd. Earl of Rosse in Birr Castle bei Dublin, Irland
Fertiggestellt im Jahr 1845: Spiegeldurchmesser 72“ = 183cm, Brennweite xxfeet = 16m

Mit Hilfe dieses im Jahr 1848 fertiggestellten Riesenteleskops gelingt es William Parson im April des gleichen Jahres erstmals die Spiralstruktur des von Messier mit der Nummer 51 versehenen Nebels M51 zu erkennen. Da die Fotografie noch in den allerersten Kinderschuhen steckt und erst in den 1880iger Jahren zu blühen beginnt, zeichnet William Parson die Objekte die er sieht. Ein Beispiel ist die Zeichnung von M51 am Ende diese Textes. Sein Riesenteleskop, eingezwängt zwischen zwei 18m hohen Mauern und nur um 10° nach Ost bzw. West schwenkbar, wäre wohl auch kaum für Langzeitbelichtungen geeignet gewesen.
Dennoch gelang es William Parson in der Folge bei 14 weiteren Himmelsobjekten eine Spiralstruktur nachzuweisen und 224 weitere, noch nicht bekannte Nebel aufzuspüren. In den Jahren 1874 bis 1878 arbeitete auch der irische Astronom John Dreyer an diesem Teleskop entdeckte weitere Nebel und legte mit seinen, sowie den Arbeitsergebnissen von Messier, Herschel, und William Parson die Basis für seinen im Jahr 1888 veröffentlichten New General Catalogue kurz NGC, der noch heute weite Verwendung findet.
 
1917 - Mount Wilson 254cm Teleskop
Das was heute im Jahr 2011 etwas befremdlich anmutet mag ist der Umstand, dass es erst des nachfolgend gezeigten Teleskops bedurfte um wirklich in die Tiefen des Weltraums vorzudringen. Zwar hatten sich die Nebel von Messier und Herschel zu Teilen in große Sternenansammlungen aufgelöst und eine Anzahl gut fundierter physikalischer Theorien und Techniken herausgebildet, dennoch gelang es erst Edwin Hubble im Jahr 1923 nachzuweisen, dass viele der Sterneninseln weit außerhalb der Michstraße liegen.
 
Das Hooker Reflektor Teleskop auf dem Mount Wilson
Fertiggestellt im Jahr 1917: Spiegeldurchmesser 100“ = 254cm
Edwin Hubble arbeitete zu dieser Zeit am Mount Wilson Observatorium in Kalifornien, wo obiges Teleskop benutzt wurde und seit 1917 das größte Teleskop darstellte, was auf der Erde zu finden war.
Natürlich hatten auch die kleineren Teleskope erhebliche technische Fortschritte gegenüber denen von Herschel und William Parson gemacht, so dass in nahen Galaxien die Sterne beobachtet und Theorien über ihr physikalisches Verhalten aufgestellt werden konnten. Im Besonderen betraf dies Sterne die als Cepheiden angesprochen werden. Das sind Sterne die sehr gleichmäßig pulsieren. Aus ihrer Leuchtkraft lässt sich ihre Entfernung herleiten, was schon seit 1912 bekannt war. Hubble gelang es nun, solche Sterne in der Andromeda-Galaxie aufzufinden und damit ihre Entfernung zu bestimmen. Durch die gewaltige Entfernung zu diesen Sternen, die mehr als 2 Mio.Lichtjahre ausmachte war bewiesen, dass die Andromeda Galaxien kein Teil der Milchstraße sein konnte und sie damit als eigenständiges Himmelsobjekt zu betrachten wäre.

Geht man davon aus, dass die Frau mit Namen Lucy, vom Stamm des Australopithecus, einer der ersten aufrecht gehenden Menschen war, so erschloss sich dem Menschen mit diesem Beweis, nach 3-4 Mio. Jahren seiner Anwesenheit auf dieser Erde, das Universum. Im Jahr 2011 ist dieser Schritt gerade 88 Jahre her.
 
.. der Weg ins Universum
Messiers Nebel M51 in einer Zeichnung des 3rd Earl of Rosse, William Parson aus dem Jahr 1845
M 51 121Jahre später in einem Zelluloid-Negativbild des Palomar Observatory aus dem Jahr 1966
M51 160 Jahre später in einem Digitalbild des Hubble Space Teleskops aus dem Jahr 2005
Bei dem letzten Bild sollte beachtet werden, dass es eine starke Verkleinerung des Originals darstellt.
 
2011 - Teleskope


Etwa mit den 1980iger Jahren beginnend, haben sich mit der Entwicklung der Computer, die Techniken und Werkstoffe zur Herstellung von Spiegeln, Linsen, leichten Halterungen und digitaler Steuerelektronik, sowie der digitalen Fotografie auf den heutigen Stand entwickelt.


Das oben abgebildete 20inch = 50cm Spiegelteleskop dessen Preis mit rund 60.000 Dollar die obere Klasse für ambitionierte Amateure darstellen dürfte, ist Standard in so mancher Volkssternwarte. Die mit diesen 'einfachen' Geräten erzielbaren Resultate sind im Internet abrufbar. Man kann sich die Frage stellen, wie sich der Kenntnisstand entwickelt hätte, wenn schon Galileo Galilei die Möglichkeit gehabt hätte, einmal durch ein solches Ding hindurchzusehen.


NGC 253 unten, fotografiert von R. J. GaBani mit einem 20inch Teleskop, darüber die Galaxie 2MASX J00482185-2507365 mit dem Hubble Space Teleskop.
Die beiden letzten Bilder verdeutlichen den Stand der Teleskoptechnik im Jahr 2011. Das Bild unten zeigt die Galaxie NGC 253, die etwa 10Mio.Lj von der Erde entfernt liegt. Sie wurde mit einem 20inch = 50cm Reflektionsteleskop aufgenommen. Links über NGC 253 liegt die Galaxie 2 MAX J00482 185- 2507365. Da sie auf dem Bild von R.J.GaBani nicht mehr enthalten war, wurde sie ihrem Ort und ihrer Größe entsprechend aus dem Aladin Sky Atlas eingeblendet. Im oberen Bild ist sie noch einmal zu sehen. Hier wurde die 780 Mio.Lj entfernte Galaxie, durch die äußeren Sternwolken von NGC 253 hindurch, mit dem Hubble Space Teleskop aufgenommen.
 

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